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Die Sprungklage (§ 45 FGO)

Inhaltsverzeichnis

Ziel der Sprungklage

Die Sprungklage ist keine eigene Klageart, sondern eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage
ohne Vorverfahren. § 44 Abs. 1 FGO wird also durch § 45 FGO ausgeschaltet, d. h., statt einen
Einspruch einzulegen, kann der Steuerpflichtige sofort klagen.

Graphische Darstellung des Ziels der Sprungklage

Graphische Darstellung der Ziele der Sprungklage

Beispiel: Ziel der Sprungklage

Das FA hat eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung nach § 179 Abs. 1 und
Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO abgelehnt, da es die Auffassung vertritt,
es existiere keine gemeinsame Einkunftsquelle. Die Steuerpflichtige will gegen die Ablehnung
mit Sprungklage vorgehen. Ist das möglich?

Lösung: Ziel der Sprungklage

Ja. Die Steuerpflichtige will hier erreichen, dass die Behörde einen bisher abgelehnten Verwaltungsakt
erlässt, nämlich den Gewinnfeststellungsbescheid. Dieses Ziel kann sie mit einer
Verpflichtungsklage verfolgen. Da auch die Verpflichtungsklage in Form einer Sprungklage
erhoben werden kann, bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung des § 45 FGO.

Klagefrist

Da die Sprungklage nur einen Unterfall der fristgebundenen Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage
darstellt, ist eine Rechtsmittelfrist einzuhalten. Die Frist bestimmt sich nach § 47 Abs. 1 S. 1
HS. 2 FGO und beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des angefochtenen Verwaltungsakts.
Innerhalb dieser Frist muss der Steuerpflichtige seine Sprungklage ohne Vorverfahren beim Finanzgericht oder bei den in § 47 Abs. 2 FGO genannten Anbringungsbehörden einreichen.

Verfahrensablauf der Sprungklage

Hat der Steuerpflichtige die Klageschrift rechtzeitig eingereicht, stellt das Finanzgericht die Schrift
gem. § 71 Abs. 1 S. 1, § 53 Abs. 2 FGO i. V. m. §§ 166 bis 190 ZPO der beklagten Behörde, also
dem beklagten FA, zu. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 FGO muss die Behörde (die über den Einspruch zu
entscheiden hat) nun der Sprungklage innerhalb eines Monats ab Zustellung zustimmen.

  • Stimmt die Behörde zu, ist die Klageschrift als Sprungklage zu behandeln.
  • Stimmt die Behörde nicht zu, ist die Klageschrift als Einspruch anzusehen (§ 45 Abs. 3 FGO).

Beispiel Verfahrensablauf

Der ESt-Bescheid 01 wird am 15.05.03 wirksam bekannt gegeben. Am 10.06.03 reicht die Steuerpflichtige ohne vorherigen Einspruch Sprungklage beim Finanzgericht ein. Das Gericht stellt die Klageschrift am 25.06.03 dem beklagten FA zu. Das FA stimmt der Sprungklage am 30.07.03 zu. Kann eine Sprungklage der Steuerpflichtigen angenommen werden?

Lösung Verfahrensablauf

  • Die Sprungklage muss innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des angefochtenen
    ESt-Bescheids 01 eingelegt werden, also bis 15.06.03. Dies ist hier geschehen, da die
    Klageschrift bereits am 10.06.03 angebracht wurde.
  • Ist dem beklagten FA die Klageschrift durch das Finanzgericht zugestellt worden, muss
    das FA innerhalb eines Monats ab Zustellung zustimmen. Das FA hätte daher bis
    25.07.03 die Zustimmung erklären müssen. Da die Zustimmung erst am 30.07.03 erfolgte,
    ist die Frist versäumt. Wiedereinsetzung ist nicht möglich, weil es sich um eine
    Ausschlussfrist handelt. Daher kann mangels rechtzeitiger Zustimmung des FA keine
    Sprungklage angenommen werden. Die Sprungklage ist daher gescheitert. Die Klageschrift
    ist als Einspruch der Steuerpflichtigen zu behandeln, § 45 Abs. 3 FGO.

Zustimmung zur Sprungklage

Im Folgenden sollen einige Einzelheiten zur Zustimmung dargestellt werden.

  • Die Zustimmung ist kein Verwaltungsakt, sondern eine prozessuale Willenserklärung. Sie
    kann daher nicht durch Einspruch erzwungen werden.
  • Die Zustimmung ist eine Ermessensentscheidung. Sie wird meist erteilt werden können, wenn
    der Sachverhalt bereits völlig aufgeklärt und eine Änderung der Rechtsauffassung der Finanzbehörde
    nicht zu erwarten ist.
  • Die Zustimmung ist formlos möglich, also z. B. auch durch konkludentes (= schlüssiges) Verhalten.
    Nimmt die Finanzbehörde etwa nach Zustellung der Klageschrift in der Sache Stellung
    zu der Klage, ist darin eine konkludente Zustimmung zu sehen.
  • Die Zustimmung muss gegenüber dem Finanzgericht erklärt werden. Dort muss die Erklärung
    innerhalb der Monatsfrist des § 45 Abs. 1 S. 1 FGO eingehen. Die Zustimmung kann schon vor
    Klageerhebung erteilt werden.
  • Die Zustimmung kann nicht zurückgenommen werden.
  • Das Gericht ist an die Zustimmung nicht gebunden. Aus Zweckmäßigkeitsgründen kann es eine Sprungklage durch unanfechtbaren Beschluss wieder an die Behörde zurückverweisen, um ein Vorverfahren zur genaueren Ermittlung des Sachverhalts durchführen zu lassen. Einzelheiten sind § 45 Abs. 2 FGO zu entnehmen. Die Klage wird in diesem Fall als Einspruch behandelt (§ 45 Abs. 3 FGO).
  • Die bloße Unterlassung einer Erklärung, d. h. das bloße Schweigen der Behörde, oder die rüge-lose Einlassung des FA zur Sache sind keine Zustimmung zur Sprungklage (BFH-Urteil v. 19.05.2004 – III R 18/02, BFHE 206, S. 201, BStBl. II 2004, S. 980).

Parallele Rechtsbehelfe

Ein Sonderproblem wird in § 45 Abs. 1 S. 2 FGO erläutert: Es kann vorkommen, dass von mehreren Betroffenen (z. B. eines Feststellungsbescheids) der eine Einspruch und der andere Sprungklage einlegt. Hier ist zuerst über den Einspruch zu entscheiden; falls dem Einspruch stattgegeben wird, erledigt sich die Sprungklage.

Zulässigkeitsvoraussetzung Sprungklage

Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gelten ent-sprechend. Eine ohne Zustimmung des FA erhobene Sprungklage soll dann nicht zur Behandlung als Einspruch an das FA abzugeben sein, wenn feststeht, dass die Einspruchsfrist ebenso wenig wie die Sprungklage gewahrt ist und keine Wiedereinsetzung in Betracht kommt (FG Hamburg, Urteil v. 02.11.1994 – V 259/93, EFG 1995, S. 464).

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