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Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG)

Hier erfahren Sie alles Wichtige zur fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht, zur Einkünfteermittlung in zwei Stufen sowie zur Berechnungsgrundlage. Außerdem erhalten Sie ein Beispiel zur Einkünfteermittlung in zwei Stufen.

 

Inhaltsverzeichnis

Auf Antrag werden natürliche Personen, die im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, soweit sie inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG im Kalenderjahr haben, die zu

  1. mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (= relative Wesentlichkeitsgrenze)

oder die

  1. nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag (= absolute Wesentlichkeitsgrenze; ab 01.01.2024: 11.604 € (ab 01.01.2025: 12.096 €) bei Einzelveranlagung; § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG) nicht übersteigen. Bei dieser Wesentlichkeitsgrenze sind die Verhältnisse im Wohnsitzstaat zu beachten, d. h., es ist z. B. für Polen nur des Grundfreibetrags anzusetzen, für Albanien  (sog. Ländergruppeneinteilung, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse 1 § 33a/4).

Der Abgeltungsteuer unterliegende Kapitaleinkünfte sind in die Berechnung der Einkunftsgrenzen einzubeziehen (vgl. H 1a „Einkünfteermittlung …“ EStH).

Regelungen zu beschränkt besteuerten inländischen Einkünften und Nachweispflichten

Nach § 1 Abs. 3 S. 3 EStG gelten inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur beschränkt besteuert werden dürfen, als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte. Bei der Ermittlung der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte bleiben solche Einkünfte unberücksichtigt, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind. Die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte muss durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nach § 1 Abs. 3 S. 5 EStG nachgewiesen werden. Die Einkünfte dieser Personen unterliegen aber dem Steuerabzug des § 50a EStG.

Hinweis: 

Im Ausland bei internationalen Organisationen beschäftigte Deutsche fallen nicht unter § 1 Abs. 2 oder § 1 Abs. 3 i. V. m. § 1a Abs. 2 EStG, da sie ihren Arbeitslohn nicht aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen (vgl. H 1a „Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht und unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag“ EStH).

Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht: Einkünfteermittlung in zwei Stufen

Die Einkünfteermittlung (BFH-Urteil v. 20.8.2008, I R 78/07, BStBl. II 2009, S. 708.) vollzieht sich in zwei Stufen:

  1. Stufe Welteinkünfte

Zunächst ist in einem ersten Schritt die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln.

  1. Stufe Aufteilung

Diese Welteinkünfte sind in einem zweiten Schritt aufzuteilen:

->   Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen

->  Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen

Berechnungsgrundlage

Bei der Ermittlung der Welteinkünfte sind sämtliche einkommensteuerbaren und einkommensteuerpflichtigen Einkünfte zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 3 S. 2 EStG).

Nicht zu berücksichtigen sind daher: 

  • Zuflüsse, die keiner Einkunftsart zuzuordnen sind
  • steuerfreie Einnahmen 
  • freigestellte Einnahmen nach DBA. 

 

Grafische Darstellung Berechnungsgrundlage

Hieraus folgt, dass zu den für die absolute Wesentlichkeitsgrenze (Grundfreibetrag 2024: 11.604 €, ab 01.01.2025: 12.096 €) zu ermittelnden, nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünften nur die Einkünfte zählen, die bei unterstellter deutscher Besteuerung auch im Inland steuerbar wären.

Darüber hinaus bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte auch solche nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte unberücksichtigt, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.

Beispiel Einkünfteermittlung in zwei Stufen

Die in den Niederlanden wohnhafte Ehefrau EF erzielt im VZ 01 in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 15.032 €. In den Niederlanden erzielte EF Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 9.482 € sowie Arbeitslosengeld in Höhe von 3.768 € (kein Bezug i. S. d. § 3 Nr. 2 Buchst. a) EStG). Ihr ebenfalls in den Niederlanden wohnhafter Ehemann EM (oder eingetragener Lebenspartner, § 2 Abs. 8 EStG) erzielte aus dem Betrieb einer Kfz-Werkstatt in Deutschland einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 13.457 €. In den Niederlanden erhielt EM steuerpflichtiges Krankengeld (vergleichbar mit Krankengeld i. S. d. § 3Nr. 1a EStG) in Höhe von 13.425 €. Die Eheleute begehrten in Deutschland Zusammenveranlagung.

Lösung:

 

Grafische Darstellung Beispiel Berechnungsgrundlage

Das Arbeitslosengeld wurde nicht nach § 3 Nr. 2 Buchst. a) EStG gewährt und wäre somit steuerpflichtig, wenn der Bezug in Deutschland wäre.

Nicht zu den Welteinkünften zählt das dem Ehemann in den Niederlanden zugeflossene Krankengeld in Höhe von 13.425 €, da es nach inländischen (deutschen) Blickwinkeln einkommensteuerbefreit wäre (§ 3 Nr. 1a EStG; EuGH-Urteil v. 25.01.2007, Meindl C- 329/05).

In der zweiten Berechnungsstufe werden die „Welteinkünfte“ aufgeteilt, ob sie der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder nicht (= 2. Stufe). Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte (9.482 € + 3.768 € = 13.250 €) unterschreiten die absolute Wesentlichkeitsgrenze (ab dem 01.01.2025: 24.192 € Grundfreibetrag 12.096 € x 2, § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 EStG).

Dem Antrag auf unbeschränkte Einkommensteuerpflicht ist stattzugeben.

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