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Steuerermäßigung bei außerordentlichen Einkünften (§ 34 EStG)

Inhaltsverzeichnis

Veräußerungsgewinne

Bei Veräußerungsgewinnen i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG kann der Steuerpflichtige, der das 55. Lebensjahr vollendet oder dauernd berufsunfähig im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ist, auf Antrag die Anwendung des ermäßigten Durchschnittssteuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG erhalten.

Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 %.

Merke: 

Diese Ermäßigung kann der Steuerpflichtige nur 1x im Leben in Anspruch nehmen.

Liegen im gleichen VZ mehrere Veräußerungsgewinne gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor, so kann die Ermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG nur für einen Veräußerungsgewinn in Anspruch genommen werden (§ 34 Abs. 3 S. 5 EStG).

 

Außerordentliche Einkünfte

Für alle im zu versteuernden Einkommen enthaltenen außerordentlichen Einkünfte (§ 34 Abs. 2 EStG) bestimmt § 34 Abs. 1 EStG die Ermittlung der auf diese entfallende Einkommensteuer nach der sog. Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG), bei der die außerordentlichen Einkünfte unter sonst gleichen Bedingungen rechnerisch als über 5 Jahre verteilt erzielt behandelt werden.

Als außerordentliche Einkünfte kommen u. a. Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen in Betracht (§ 24 Nr. 1 Buchst. a) i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG).

Es muss dabei zu einer Zusammenballung der Einkünfte kommen.

Hinweis:

Entschädigung

Eine Entschädigung liegt vor, wenn

  • die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist

und

  • der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht.

Hinweis:

Außerordentliche Einkünfte

Außerordentliche Einkünfte liegen nur vor, wenn

  • die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind

und

  • durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerrechtliche Belastungen entstehen.

Hinweis:

Zusammenballung

Eine Zusammenballung ist nicht gegeben, wenn die Entschädigungsauszahlung

  • in zwei Veranlagungszeiträumen (Ausnahmen möglich)
  • in mehreren Veranlagungszeiträumen

erfolgt.

Dies gilt auch, wenn diese Auszahlungen mit anderen positiven laufenden Einkünften zusammentreffen.

Unbeachtlich ist, dass sich gegebenenfalls ein Progressionsnachteil ergibt.

Zufluss in einem Veranlagungszeitraum

Der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum ist kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal der außerordentlichen Einkünfte.

Zufluss in zwei Veranlagungszeiträumen

Der Zweck der Tarifermäßigung „Fünftelregelung“ wird trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen erreicht, wenn der

  • Erhalt einer geringen (Entschädigungs-)Teilleistung

und

  • Erhalt der ganz überwiegenden Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag

erfolgt.

Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ist deshalb grundsätzlich schädlich (= erste Prüfung; BMF-Schreiben v. 01.11.2013, IV C 4 – S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, S. 1326, Rz. 8, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse 20 § 34/1; BFH-Urteil  v. 03.07.2002, XI R 80/00, BStBl. II 2004, S. 447), soweit es sich dabei nicht um eine im Verhältnis zur Hauptleistung stehende geringe Zahlung handelt, die in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließt (BFH-Urteil v. 25.08.2009, IX R 11/09, BStBl. II 2011, S. 27).

Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, eine geringfügige Zahlung anzunehmen, wenn diese nicht mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt. Darüber hinaus kann eine Zahlung unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung (BFH-Urteil v. 13.10.2015, IX R 46/14, DStR 2015, S. 2658; BMF-Schreiben v. 01.11.2013, IV C 4 – S 2290/13/10002, Rz. 8 a. a. O., geändert durch BMF-Schreiben v. 04.03.2016, IV C 4 – S 2290/07/10007:031, BStBl. I 2016, S. 277).

Weitere Anwendungsregeln, Besonderheiten, Ausnahmen und Beispiele werden im Anwendungserlass erläutert (BMF-Schreiben v. 01.11.2013, IV C 4 – S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, S. 1326.).

Graphische Darstellung Außerorrdentliche Einkünfte

Graphische Darstellung Außerordentliche Einkünfte

Voraussetzungen

  • außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 EStG (abschließende Aufzählung) wie z. B. Abfindungen, Jubiläumszuwendungen, Entlassungsentschädigungen
  • für alle im VZ bezogenen außerordentlichen Einkünfte
  • Zusammenballung durch Zufluss in einem VZ
    Ausnahme: Zufluss in zwei VZ möglich, wenn
  1. a) Teilzahlungsbetrag max. 10 % der Hauptleistung beträgt (BMF-Schreiben v. 01.11.2013,Rz. 8, BMF-Schreiben v. 04.03.2016, IV C 4 – S 2290/07/10007:031)
  2. b) zusätzliche Leistungen für eine Übergangszeit gewährt werden, wie z. B. weitergehende Dienstwagennutzung, sind dann unschädlich, wenn max. 50 % der Hauptleistung erreicht werden
  • außerordentlich bedeutet grundsätzlich einmalige Beträge

Ziel:

Vermeidung einer verschärften Progressionswirkung durch die Zusammenballung von nicht regelmäßig erzielbaren Einkünften in einem VZ.

Beispiel: Steuerermäßigung bei außerordentlichen Einkünften (§ 34 EStG)

Durch Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigte sich S (= Arbeitnehmer) mit A (= Arbeitgeber) auf eine Abfindung in Höhe von 77.257 €.

Diese Abfindung wurde wie folgt ausbezahlt:

  • Teilbetrag im September 01         in Höhe von       1.000 €.
  • Teilbetrag im Januar 02                in Höhe von     76.257 €.

Das Finanzamt unterwarf die Abfindungszahlungen im Januar 02 dem vollen Steuersatz ohne Gewährung einer Tarifermäßigung (§ 34 Abs. 1 EStG).

Lösung: Steuerermäßigung bei außerordentlichen Einkünften (§ 34 EStG)

Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ist grundsätzlich schädlich.

Handelt es sich jedoch um eine im Verhältnis zur Hauptleistung geringe Zahlung (= maximal 10 % der Hauptleistung), ist dies für die Zusammenballung unschädlich (BMF-Schreiben v. 17.01.2011, IV C 4 – S 2290/07/10007, BStBl. I 2001,  S. 39, geändert durch BMF-Schreiben v. 04.03.2016, IV C 4 – S 2290/07/10007:031).

Die bezogene Entschädigung in Höhe von 76.257 € im Januar 02 ist tarifbegünstigt zu besteuern. S erhielt die Abfindung als Ersatz für den weiteren Bezug seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Eine für die ermäßigte Besteuerung erforderliche Zusammenballung der Entschädigungsleistung liegt in Gestalt der bezogenen Hauptentschädigungsleistung in Höhe von 76.257 € vor.

Die Zahlung der 1.000 € im VZ 01 ist unschädlich, da die 10-%-Grenze nicht überschritten wurde.

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