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Unbeschränkte Steuerpflicht | Wohnsitz
Inhaltsverzeichnis
Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person setzt einen Wohnsitz § 8 AO bzw. gewöhnlichen Aufenthalt § 9 AO im Inland voraus.
Merkbox:
Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (AEAO zu § 8 – Wohnsitz „Allgemeines“).
Die Frage der Wohnungsbegründung ist, anders als im bürgerlichen Recht (§§ 7, 8 BGB), im Steuerrecht nur nach tatsächlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Eine Wohnung setzt eingerichtete stationäre Räume voraus, die – mindestens im Sinne einer bescheidenen Bleibe – für den Steuerpflichtigen auf Dauer zum Wohnen geeignet sind. (AEAO zu § 8 – Wohnsitz „Wohnung“)
Wenn der Steuerpflichtige lediglich einige Räume zum Unterstellen seiner Möbel nutzt, so liegt keine Wohnung vor. Der Wohnsitz setzt i. d. R. eine angemessene, den Lebensbedürfnissen des Inhabers entsprechende Wohnung voraus. Eine nur kurzfristige, lediglich vorübergehende oder eine notdürftige Unterbringungsmöglichkeit erfüllt nicht den Wohnungsbegriff. Ein möbliertes Zimmer kann eine Wohnung darstellen. Auch ein Hotelzimmer (bei einem Dauermietverhältnis), ebenso wie Gemeinschaftsunterkünfte bei Polizei und Streitkräften können eine Wohnung darstellen.
Wohnwagen und Zelte stellen keine Wohnung dar. Ebenso wird bei einem gelegentlichen Übernachten auf einem inländischen Betriebsgelände bzw. in einem Büro kein Wohnsitz begründet (BFH-Urteil v. 06.02.1985, I R 23/82, BStBl. II 1985, S. 331).
§ 8 AO setzt für eine Wohnsitzbegründung nicht voraus, dass sich der Lebensmittelpunkt der Interessen an diesem Ort befindet (BFH-Urteil v. 24.07.2018, I R 58/16, BFH/NV 2019, S. 104)
Der Wohnsitzbegriff erfordert das Innehaben einer Wohnung. Dies ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige über die Wohnung objektiv rechtlich und tatsächlich die Verfügungsmacht besitzt, d. h., die Wohnung muss ihm jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen. Beim Auseinanderfallen der rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsmacht stellt das Steuerrecht auf die tatsächliche Verfügungsmacht (wirtschaftliche Betrachtung) ab.
An der objektiven Eignung fehlt es bei sog. Standby-Wohnungen oder -Zimmern (z. B. von Flugbegleitern), wenn aufgrund von Vereinbarungen oder Absprachen zwischen den Wohnungsnutzern die Nutzungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen derart beschränkt ist, dass er die Wohnung oder das Zimmer nicht jederzeit für einen Wohnaufenthalt nutzen kann.
Die Wohnungsnutzung muss weder regelmäßig noch über eine längere Zeit erfolgen. Erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte bzw. unregelmäßige kurze Aufenthalte zu Erholungs- oder Verwaltungszwecken hinausgeht. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr zu Wohnzwecken in der Wohnung aufhält. Auch unregelmäßige Aufenthalte in einer Wohnung können zur Aufrechterhaltung eines dortigen Wohnsitzes führen (BFH-Urteil v. 24.07.2018, I R 58/16, BFH/NV 2019, S. 104).
Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, haben grundsätzlich einen gemeinsamen Wohnsitz, der sich dort befindet, wo die Familie wohnt. Ob ein Ehegatte aus beruflichen oder persönlichen Gründen von der Wohnung unregelmäßig oder sogar ein ganzes Jahr lang keinen Gebrauch macht, ist ohne Belang.
Kinder teilen dann den elterlichen Wohnsitz, wenn eine Beziehung zur elterlichen Wohnung vorhanden ist, die über die allein durch das Kindschaftsverhältnis begründete Beziehung hinausgeht und erkennen lässt, dass das Kind die elterliche Wohnung nach wie vor auch als seine Wohnung betrachtet und nicht nur besuchsweise, sondern auch sonst, z. B. bei Krankheit, in die Wohnung der Eltern zurückkehrt. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um volljährige Kinder handelt.
Minderjährige Kinder, die bei den Eltern wohnen, haben deren Wohnung inne bis zu einer erkennbaren Aufgabe derselben.
Beispiel 1: Unbeschränkte Steuerpflicht | Wohnsitz
Der verheiratete Jörg Dreher ist von seinem Arbeitgeber für 3 Jahre nach Hongkong versetzt worden. Ihm gehört ein Einfamilienhaus (EFH) in München.
a) Die Familie geht mit nach Hongkong. Während der Abwesenheit kümmert sich die Haushälterin um das EFH.
b) Das EFH wird für die 3 Jahre vermietet.
c) Die Familie begleitet Herrn Dreher nicht nach Hongkong, sondern wohnt weiterhin in dem Münchner EFH.
Lösung 1: Unbeschränkte Steuerpflicht | Wohnsitz
Im Fall a) hat Herr Dreher weiterhin die Sachherrschaft über die Wohnung (hier: EFH). Er hat somit einen Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland inne.
Im Fall b) hat Herr Dreher die Sachherrschaft (durch die Vermietung) aufgegeben, der Mieter hat nun die Sachherrschaft (tatsächliche Verfügungsmacht) über das EFH. Herr Dreher hat keinen Wohnsitz inne.
Fall c) entspricht Fall a).
Voraussetzungen und Kriterien zur Begründung eines Wohnsitzes
Weiterhin ist Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird, d. h., es muss nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wahrscheinlich sein, dass der Steuerpflichtige die Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken auch in Zukunft fortsetzen wird. Auch ein Ferienhaus, das immer wieder regelmäßig genutzt wird, kann eine Wohnung darstellen. Unterbrechungen des Aufenthalts sind unerheblich, insbesondere wenn es wegen einer Ausbildung oder der Berufsausübung dazu kommt (auswärtiger Aufenthalt).
Wer eine Wohnung von vornherein in der Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beizubehalten und zu benutzen, begründet dort keinen Wohnsitz (BFH-Urteil v. 30.08.1989, I R 215/85, BStBl. II 1989, S. 956).
Die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale der Wohnsitzbegründung erfüllt sind, muss nach den Verhältnissen des jeweiligen Veranlagungszeitraums geprüft werden.
Beispiel 2: Unbeschränkte Steuerpflicht | Wohnsitz
Tina, die 21-jährige Tochter eines Frankfurter Industriellen, studiert in New York. Es ist geplant, dass sie nach Ablauf ihrer Studienzeit zu ihren Eltern nach Frankfurt zurückkehrt.
Lösung 2: Unbeschränkte Steuerpflicht | Wohnsitz
Tina ist für die Dauer ihres Studiums unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, da sie ihren Wohnsitz in der elterlichen Wohnung durch das auswärtige Studium nicht aufgibt.
Beispiel 3: Unbeschränkte Steuerpflicht | Wohnsitz
Flugkapitän Ernst Herz, dessen Familie (Ehefrau und Kinder) in Hanau wohnt, fliegt überwiegend Transkontinentalstrecken. Er kommt nur in größeren Zeitabständen nach Hanau zu seiner Familie zurück.
Lösung 3: Unbeschränkte Steuerpflicht | Wohnsitz
Ernst Herz unterhält einen Wohnsitz (= Familienwohnsitz) in Hanau. Er ist wie seine An-gehörigen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
Ohne Gewähr. Rechtsstand 2024.